Cay R. Kinzel (anläßlich einer Ausstellung im Rathaus zu Zülpich):
Sehr verehrtes Publikum, meine Damen und Herren,
- haben sie recht herzlichen Dank für ihre freundliche Begrüssung - es soll nun meine Aufgabe sein, Ihnen in der gebotenen Kürze zum Werk Matthias Hürtens Auskunft zu geben. Matthias Hürten ist ein Künstler, den es bewußt an den Rand des Köln-Düsseldorfer Kunstzentrums, auf halben Weg in die malerische Diaspora der Höhenzüge der Eifel gezogen hat. Hier in der physischen Nachbarschaft zu den Tendenzen, ja den Moden des Kunstmarktes hat er in einem Dorf bei Münstereifel eine Ort der Klausur gefunden.
Einige der Resultate dieser Klausur werden uns heute hier vorgestellt: Wir sehen, daß Hürten im eigentlichen Wortsinne kein Maler ist, seine Bildschöpfungen entstehen durch Auslassen des Klassischen Pinsels, die Farbe wird in ihrer eigenen Ursprünglichkeit als Pigment aufgetragen, da stört keine weiß ausgezogene Pastelligkeit den Blick des Betrachters, da wird nicht der scheinheilige Versuch unternommen, Inhalte durch heftigen Duktus und grobe Farbgebung zu ersetzen. Nein wir Zeitgenossen werden durch Maler wie Hürten mit der Malerei unserer Zeit versöhnt. Wir erleben hier Malerei weder als modische Pladitüde, noch konventionell und konservativ.
Während Hürtens frühe Arbeiten noch zumeist minimalistische, monochrome Werke in der Tradition des Abstrakten Expressionismus waren, wendet er sich in den letzten Jahren immer weiter der Form zu. Er assambliert die reinen Geometrien, er rückt Quadrat und Kreis zusammen. Er mischt die Farben indem er die puren Pigmente einzeln rein - erst im Eindruck addiert - aufträgt: Das Erlebnis solcher Farbgemische ist das Hören reiner klarer Töne: das A-Dur vom Ultramarinblau, das g-Moll eines Sieneser Ocker.
Die Rückbesinnung auf das Natürliche bei Hürten läßt uns mit Recht stutzen, und doch wäre es unangemessen ihn in einen postmodernen Kontext drängen zu wollen. Matthias Hürtens Malerei ist mehr: Ein Blick in die Anfänge der modernen Kunst mag uns helfen. Die Abstrahierung der bildnerischen Kategorien hat eine stetig vorauseilende Parallelentwicklung: Die Mechanisierung. Die Technisierung und die Maschine bedingten die moderne Malerei, und diese moderne Malerei war die opportune Antwort auf eine Welt, die gottverloren den technischen Götzen diente. Wir haben das Glück in einer Phase der Wandlung zu leben - die Wirren der industriellen Revolution sind überstanden, wir haben den kalten Krieg überlebt, und Quarzuhren können wir schon für DM 4,95 kaufen. Der technische Götze hat ausgedient. Wir fangen zwar gerade erst an so zu denken, aber die Maschine kommt langsam wieder in den öligen Geruch eines Werkzeuges. Gerade die "Binsenweisheiten" finden den langwierigsten Zugang in unser Denken, nicht so bei dem Künstler, der als soziologischer Seismograph diesen Umbruch registriert. Wie kann der Maler darauf reagieren, wie kann er diesen Wandel, das Absterben der einen Seinsform, und die Daseinskämpfe der möglichen Seinsformen, wie kann ein Maler heute malen. Die Antwort ist seit sechs Jahrhunderten annähernd gleich geblieben: er agiert in der ihm gemäßen Form - er malt. Wie malt er? Schauen sie sich um - so zum Beispiel.
Ich hatte zu Beginn den Begriff der Versöhnung benutzt, Versöhnung von Publikum und Oeuvre durch das Oeuvre. Ein abstrakter Maler findet von der reinen Form zurück zu den Abbildern der Naturform, was Matthias Hürten hier ausstellt ist im besten Sinne reaktionär. ER ist einer der jungen Malergeneration, die das post-technozentristische Zeitalter bildnerisch begleiten - er geht seinen Weg zurück durch die Kunstgeschichte, von Klein und Pollock zu Klee und Kandinsky, vielleicht kommt er noch bei Rogier van der Weyden an, wenn das die der Zeit gemäße Formen- und Bildsprache sein wird.
Meine Damen und Herren, geben Sie Matthias Hürten die Möglichkeit, unsere Zeit als Maler zu begleiten. Spenden Sie IHM Achtung, Beifall, Lob und Kritik - lassen Sie sich anrühren von der ästhetischen Erfahrung, die sie durch seine Bilder erleben, und kaufen Sie sie - wenn Ihnen eines oder mehrere gefallen - kaufen Sie. Ich weiß die Vorräte im Atelier noch groß genug.